Die Bedeutung des Denkens von Erich Fromm für die psychoanalytische Praxis
Das EFSC lädt zu einer Abendveranstaltung am Donnerstag, 9. Dezember 2021 um 18 Uhr an der International Psychoanalytic University Berlin, Hörsaal 1 (Stromstr. 2) ein.
Nach einer Begrüßung von Prof. Dr. Martin Teising hält Prof. Dr. Dr. Roger Frie einen Vortrag zum Thema "Dunkle Schatten: Erich Fromm, die Sozio-Psychoanalyse und der systemische Rassismus", gefolgt von einem Vortrag von Dr. Rainer Funk mit dem Titel "Die Psychoanalyse Erich Fromms und ihre Bedeutung für die psychotherapeutische Praxis". Im Anschluss findet eine Diskussion der beiden Vorträge, moderiert von Prof. Dr. Teising statt. Zum Ausklang des Abends lädt das EFSC zu einem Stehempfang ein.
Die Veranstaltung findet in deutscher Sprache statt. Eine Anmeldung ist erforderlich und hier möglich. Eine Teilnahme ist sowohl in Präsenz als auch via Live-Stream möglich. Für die Teilnahme in Präsenz gelten die 2-G Regeln.
Zum Vortrag "Dunkle Schatten: Erich Fromm, die Sozio-Psychoanalyse und der systemische Rassismus"
Als Psychoanalytiker sah sich Fromm gedrängt, sich zu den sozialen und politischen Krisen seiner Zeit zu äußern. Fromms Sozio-Psychoanalyse war eine radikale Abkehr von der Freud'schen Psychoanalyse und hat wichtige Auswirkungen darauf, wie Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytiker in ihrer therapeutischen Arbeit gesellschaftliche Themen ansprechen können. Roger Frie analysiert Fromms Forschung über Autoritarismus und rassistischen Narzissmus und befasst sich dann mit den Auswirkungen des systemischen Rassismus in der Gegenwart. Wie Fromm beschäftigt sich Frie mit der Frage, wie die Psychoanalyse von Gesellschaft und Kultur geprägt ist. Dabei bezieht er sich auf seine Arbeit als praktizierender Psychoanalytiker in Kanada, um die dortige rassistische Diskriminierung indigener Patienten zu thematisieren und zu ergründen. Er fragt danach, wie das therapeutische Setting in die umfassenderen Strukturen des systemischen Rassismus verwickelt ist.
Prof. Dr. Dr. Roger Frie
ist derzeit DAAD-Gastdozent an der Internationalen Psychoanalytischen Universität. Er ist Professor für Pädagogik an der Simon Fraser University und Affiliate Professor für Psychiatrie an der University of British Columbia, Vancouver. Außerdem ist er psychoanalytischer Dozent und Supervisor am William Alanson White Institute und assoziiertes Mitglied des Columbia University Seminar on Culture Memory in New York. Roger hat zahlreiche Veröffentlichungen und Vorträge zu den Themen historisches Trauma, kulturelles Gedächtnis und menschliche Interaktion gehalten und ist Autor des preisgekrönten Buches Not in My Family: German Memory and Responsibility After the Holocaust. [Dt. Übersetzung: Nicht in meiner Familie. Deutsches Erinnern und die Verantwortung nach dem Holocaust (Brandes & Apsel Verlag, 2021).
Zum Vortrag "Die Psychoanalyse Erich Fromms und ihre Bedeutung für die psychotherapeutische Praxis"
Spätestens seit dem Abschluss der Ausbildung zum Psychoanalytiker 1930 in Berlin identifizierte sich der promovierte Soziologe Erich Fromm als Psychoanalytiker, dessen Hauptprofession bis zu seinem Lebensende die klinisch-therapeutische Anwendung der Psychoanalyse war. Sein erkenntnisleitendes Interesse war dabei die gesellschaftliche Prägung der vielen Einzelnen. Dieses Interesse führte ihn zu einem relationalen Ansatz und zum Konzept des Sozialcharakters, das den Erfordernissen des Zusammenlebens gerecht wird und viele Menschen bewusst und unbewusst ähnlich denken, fühlen und handeln lässt.
Welche Bedeutung diese psychische Strukturbildung des Sozialcharakters für das Verhalten der Vielen hat und welche pathogenen Effekte von ihm ausgehen, wird an zwei Orientierungen illustriert: dem „autoritären Charakter“ und dem mit der digitalen Revolution dominant gewordenen „ich-orientierten Charakter“. Bei Letzterem wird dann auch aufgezeigt, wie sich dieser Sozialcharakter im psychotherapeutischen Setting, in Übertragung und in Gegenübertragung manifestiert.
Dr. Rainer Funk
(geb. 1943), Psychoanalytiker in Tübingen, promovierte über Fromm, war sein letzter Assistent und verwaltet seinen Nachlass (Erich Fromm Institut in Tübingen) und seine Rechte. Neben seiner Herausgebertätigkeit (u.a. eine Gesamtausgabe von Fromm in 12 Bänden in Printform und als E-Book) und zahlreichen Publikationen über Fromm forschte er zur Psychoanalyse des gegenwärtigen Menschen (Ich und Wir, 2005; Der entgrenzte Mensch, 2011). Seit 2013 ist er Lehrbeauftragter an der IPU.